Ca. 5 % der Menschen leiden heute unter Autoimmunerkrankungen, wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Multiple Sklerose oder Hashimoto.1
Für alle Autoimmunerkrankungen und auch für Allergien gilt dabei:
Das Immunsystem der betroffenen Patienten ist nicht zu schwach, sondern zu stark!
Es handelt sich um eine Überaktivierung des Immunsystems, die interessanterweise sogar Vorteile haben kann: Anscheinend haben Menschen mit einer Allergie, im Vergleich zur Normalbevölkerung, ein niedrigeres Risiko an Krebs zu erkranken!2
Dieses Beispiel zeigt gut das Grundproblem, was die Medizin bei der Behandlung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa hat:
Auf der einen Seite will man ein starkes Immunsystem, das den Patienten vor Infektionen und Krebs schützt, und auf der anderen Seite will man den überreagierenden Teil des Immunsystems abschwächen, der für die chronische Entzündung des Darms verantwortlich ist.
Leider gibt es im Moment noch keine Medikamente, die diesem Anspruch gerecht werden.
Ein Schub bei chronischen Darmentzündungen wird im Moment mit Immunsuppressiva, wie Cortisol, Azathioprin, Humira, Remicade oder Entyvio behandelt.
Diese Medikamente haben zwar unterschiedliche Wirkmechanismen, aber keines davon wirkt so gezielt, dass es nur die überschießende Entzündungsreaktion verhindert. Es besteht bei diesen Medikamenten immer die Gefahr, dass das gesamte Immunsystem geschwächt wird und die Patienten deshalb anfälliger für Infektionen sind.
Das kürzlich zugelassene Entyvio mit dem Wirkstoff Vedolizumab wirkt zwar laut Hersteller nur im Darm, aber auch hier ist die Liste der Nebenwirkungen lang.
Wie aktuelle Studien zeigen, sind es aber möglicherweise nicht teure und nebenwirkungsreiche Medikamente, sondern ganz gewöhnliche Pilze, die unser Immunsystem so beeinflussen, das chronische Entzündungen gemindert werden, ohne das unser gesamtes Immunsystem geschwächt wird.
Es gibt ca. 100 verschiedene Sorten von essbaren Pilzen, die man kaufen kann und ihr Umsatz steigt — auch aufgrund ihrer medizinischen Wirkung — rasant.3
Während 1960 nur 170.000 Tonnen pro Jahr produziert wurden, waren es im Jahr 2009 schon 24 Millionen Tonnen!4
Die Bedeutung von Immunglobulin A für die Darmschleimhaut
Viele Pilze haben eine immunmodulierende Wirkung, da sie den Ausstoß des Antikörpers Immunglobulin A (IgA) erhöhen.
Aber warum könnte dieser Effekt für CED-Erkrankte wichtig sein?
Der Grund ist, dass wir den größten Kontakt zu unserer Außenwelt über unsere Schleimhaut haben. Sie überzieht die Oberfläche unseres Mundes, des gesamten Verdauungstraktes, des Urogenitaltraktes, der Atemwege, der Brustdrüsen und der Augäpfel.
Alleine die Schleimhaut unseres Verdauungstraktes überzieht eine Fläche, die größer ist als ein Tennisplatz und ein großer Teil von dieser Fläche hat nur die Dicke von einer Zelle!
Es ist also nur eine mikroskopisch kleine Fläche, die uns von Giften, Viren und Bakterien trennt.
Wir brauchen also in diesem Bereich eine sehr gut funktionierende Abwehr, damit es nicht zu Problemen kommt — und genau diese Aufgabe übernimmt das, in den Schleimhautsekreten vorhandene, Immunglobulin A (sIgA).
Wissenschaftlich ausgedrückt wirkt das sekretorische Immunglobulin A (sIgA) als die erste Linie der adaptiven, humoralen Immunabwehr an den Schleimhautoberflächen.
Mit dem adaptiven Teil des Immunsystems ist der Teil gemeint, den wir im Laufe unseres Lebens, durch den Kontakt mit verschiedenen Erregern, erwerben.
Humoral kommt von lateinisch humor = Flüssigkeit, da sich die sIgA-Antikörper in der Schleimhautflüssigkeit befinden.
Pilze verbessern das Immunsystem der Schleimhäute!
Es könnte also sein, dass Lebensmittel, welche die Sekretion von Immunglobulin A beschleunigen, so das Schleimhaut-Immunystem verbessern.
Deshalb untersuchte man in einer Studie, wie sich der Konsum von handelsüblichen, weißen Champignons auf den Ausstoß von Immunglobulin A (sIgA) in der Mundschleimhaut auswirkt.5
Von den 24 Teilnehmern der Studie aß die eine Hälfte eine normale Diät, während die andere Hälfte eine normale Diät plus 100 Gramm weiße Champignons aß.
Die Studie dauerte 1 Woche und der Immunglobulin A-Spiegel der Teilnehmer wurde vor und nach dieser Woche und wöchentlich bis 3 Wochen nach der Studie gemessen.
Die Ergebnisse waren sehr interessant:
Wie zu erwarten veränderte sich die sIgA-Konzentration in der Kontrollgruppe ohne die Pilze nicht.
In der Pilzgruppe schoß der sIgA-Spiegel dagegen innerhalb der 1.Woche in die Höhe. Und obwohl nach der 1. Woche keine Pilze mehr gegessen wurden, blieb der sIgA-Spiegel auch in der 2. Woche auf diesem hohen Niveau. Erst dann fiel er wieder auf das Ausgangsniveau zurück.
In der folgenden Abbildung siehst Du die Entwicklung der Werte grafisch dargestellt.
Die Autoren der Studie kommen aufgrund dieser Ergebnisse zu dem Schluss, dass
für Menschen mit einem beeinträchtigten Immunsystem der regelmäßige, tägliche Verzehr von weißen Champignons notwendig sein könnte, um eine erhöhte sIgA-Sekretion aufrechtzuerhalten.
Prinzipiell wäre es bei chronischen Darmentzündungen ja wünschenswert, wenn das Schleimhaut-Immunsystem besser funktioniert und Erreger schon an der Darmwand gestoppt werden — gerade weil die Schleimhautbarriere im Darm ja durch die Entzündung schon geschädigt ist.
Aber wenn Pilze das Immunsystem stimulieren, indem sie die sIgA-Sekretion erhöhen, besteht dann nicht die Gefahr das sie auch die Entzündungsaktivität bei Colitis und Crohn noch weiter verstärken?
Den Teil des Immunsystems, der für die Entzündung im Darm verantwortlich ist, wollen wir ja gerade nicht stärker aktivieren.
Zum Glück ist das Gegenteil der Fall!
Einige essbare Pilzarten zeigen in vitro sogar eine antientzündliche Kapazität und könnten deshalb als potentielle Quellen von natürlichen Anti-Entzündungs-Mitteln angesehen werden.6
Besonders intensiv war der antientzündliche Effekt bei den Sorten Agaricus bisporus (weißer Champignon), Cantharellus cibarius (Pfifferling) und Lactarius deliciosus (Edel-Reizker).
Die Entzündungsantwort war bei diesen Pilzsorten nur halb so stark, wie ohne Pilze!
Vermutlich ist der Phytonährstoff Pyrogallol für die entzündungshemmende Wirkung der Pilze verantwortlich.7
Reduzieren Pilze die Entzündung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa?
Es gibt noch keine Studien zu der Frage, ob Pilze speziell bei chronischen Darmentzündungen helfen.
Wie oben beschrieben weiß man nur, dass sie das Immunsystem der Schleimhaut stärken und gleichzeitig entzündungshemmend wirken.
Aber um das International Journal of Medicinal Mushrooms zu zitieren:
Die regelmäßige Aufnahme von Pilzen kann uns gesünder, fitter und glücklicher machen und uns helfen länger zu leben. […] Eine Vielzahl von Pilzen wurde traditionell in vielen verschiedenen Kulturen verwendet um die Gesundheit zu erhalten und verschiedenste Krankheiten zu verhindern und zu behandeln. […] Am wichtigsten für die moderne Medizin sind Polysaccharide mit Anti-Tumor und immunmodulierenden Eigenschaften.4
Wie immer, muss man als Patient einer chronischen Darmentzündung bei der Ernährung darauf achten, was man selbst verträgt und was nicht.
Darüber hinaus gibt es Unverträglichkeiten, wie z.B. eine Histaminintoleranz, bei der Pilze nicht gut vertragen werden. Auch ein Stoma kann bei Pilzen schnell verstopfen, weil Pilze den unverdaulichen Ballaststoff Chitin enthalten.
Aber darüber hinaus gibt es keine Gründe Pilze nicht auch bei chronischen Darmentzündungen regelmäßig zu essen. Sie haben im Gegensatz zu Medikamenten keine Nebenwirkungen und sind äußerst gesund.
Colitis-/Crohn-Rezept: Basmatireis mit Pilz-Sahne-Sauce
Das folgende Rezept ist bei CED besonders gut verträglich, weil der Reis bei Durchfall die Flüssigkeit bindet, wenig Fett verwendet wird und die Pilze püriert werden, damit das unverdauliche Chitin nicht so schwer im Magen liegt.
Die Zutaten:
- ½ Tasse Basmatireis
- 100 gr weiße Champignons
- 250 ml Hafermilch
- ½ Zwiebel
- 1 Knoblauchzehe
- ½ Bund Petersilie
- 1 TL Zitronensaft
- ½ TL Gemüsebrühpulver
- 1 TL Olivenöl
Gib den Reis mit der doppelten Menge Wasser in einen Topf mit Deckel und erhitze ihn auf höchster Stufe. Sobald das Wasser zu kochen beginnt, schalte die Herdplatte aus, lege den Deckel auf den Topf und lasse den Reis fertig quellen.
Schneide die Zwiebeln und den Knoblauch in kleine Würfel, hacke die Petersilie klein und viertel die Pilze.
Erhitze eine beschichtete Pfanne und brate die Champignons mit dem Olivenöl darin an.
Wenn die Pilze Farbe bekommen, gib die Zwiebel und den Knoblauch dazu und dünste sie ein paar Minuten mit.
Gib dann die Pilz-/Zwiebel-/Knoblauch-Mischung in ein hohes Gefäß und mixe sie mit der Hafermilch zu einer sämigen Sauce.
Gib die Hafermilch-Pilz-Sauce wieder in die Pfanne und schmecke alles mit Salz, Pfeffer und etwas Gemüsebrühpulver ab.
Wenn der Reis fertig ist, gib die gehackte Petersilie und den Zitronensaft in die Pfanne, schwenke die Pfanne ein paar Mal und gib die Pilzsauce dann über den Reis.
Fertig ist ein super leckeres Pilzgericht, das auch vegan, milchfrei und fettarm ist!
Wer sich ausführlicher mit den genannten Studien über die immunmodulierende Eigenschaft von Pilzen beschäftigen möchte, findet hier das entsprechende Youtube-Video.
Quellen:
- 1 Tobón GJ et al., Are autoimmune diseases predictable?, Autoimmun Rev, Februar 2012, (Sind Autoimmunerkrankungen vorhersehbar?)
- 2 Merrill RM et al., The association between allergy and cancer: what is currently known?, Ann Allergy Asthma Immunol., August 2007, (Die Verbindung zwischen Allergien und Krebs: Was weiß man bisher?)
- 3 Reis FS et al., Chemical composition and nutritional value of the most widely appreciated cultivated mushrooms: an inter-species comparative study, Food Chem Toxicol., Februar 2012, (Chemische Zusammensetzung und Nährwert der beliebtesten, kultivierten Pilze: eine zwischenartliche Vergleichsstudie)
- 4 Chang ST, Wasser SP, The role of culinary-medicinal mushrooms on human welfare with a pyramid model for human health., Int J Med Mushrooms, 2012, (Die Rolle von kulinarisch-medizinischen Pilzen in Bezug auf das menschliche Wohlbefinden anhand eines Pyramidenmodells für menschliche Gesundheit.)
- 5 Jeong SC et al., Dietary intake of Agaricus bisporus white button mushroom accelerates salivary immunoglobulin A secretion in healthy volunteers., Nutrition, Mai 2012, (Nahrungsaufnahme von weißen Champignons der Sorte Agaricus bisporus beschleunigt die Speichel-Immunglobulin-A-Sekretion in gesunden Teilnehmern)
- 6 Moro C et al., Anti-inflammatory activity of methanolic extracts from edible mushrooms in LPS activated RAW 264.7 macrophages, Food Chemistry, Januar 2012, (Anti-entzündliche Aktivität von methanolischen Extrakten von essbaren Pilzen in LPS aktivierten RAW 264.7 Makrophagen)
- 7 Palacios I et al., Antioxidant properties of phenolic compounds occurring in edible mushrooms, Food Chemistry, Oktober 2011, (Antioxidative Eigenschaften von phenolischen Stoffen, die in essbaren Pilzen vorkommen)
(Foto: © Dušan Zidar – Fotolia.com)